Erinnern Sie sich noch an Felix Finkbeiner? Der Junge aus Bayern, Jahrgang 1997, gründete 2007 die Bewegung „Plant für the Planet“, die Kinder auffordert, Bäume zu pflanzen, um die Klimakatastrophe zu stoppen. Mit 13 durfte Felix vor der UNO-Vollversammlung reden, und es spricht durchaus für den Jugendlichen, dass er seitdem neben Auftritten, Seminaren und Interviews auch noch Zeit fürs Gymnasium findet. Unermüdlich reiste er durch die Welt, um für Bäume als natürliche CO2-Speicher zu werben, und um sie selbst zu pflanzen – kürzlich sogar am Nordpol. „Der am Nordpol war natürlich aus Pappe“, erzählte Finkbeiner dem „Stern“. Zwölf oder dreizehn Milliarden echte Bäume soll es dank der Finkbeiner-Bewegung für Klimagerechtigkeit weltweit geben. Genau zählt niemand mit.
Nun soll es hier nicht um Häme gegen einen kleinen Klimaaktivisten gehen, sondern um ein ernsthaftes Problem: Finkbeiners Bäumchen droht zumindest in Deutschland ein jähes Ende. In Rheinland-Pfalz will die grüne Wirtschaftsministerin Eveline Lemke bis 2030 die mit Windkraft erzeugte Energie in ihrem Land verfünffachen. Der Platz dafür soll in dem kleinen Land regelrecht freigeschlagen werden: Nämlich im Wald. Im Soonwald im Hunsrück rotieren schon Riesenräder, im mittleren Rheintal planen mehreren Gemeinden den nächsten Großwindpark – selbstverständlich, um das Weltklima zu retten. Die Landesumweltministerin zieht daraus schon einen weitreichenden Schluss: Bei Wald handelt es sich um einen Bewuchs, der Windrädern und damit der Weltrettung im Weg steht. In meinem Buch „Der Grüne Blackout. Warum die Energiewende nicht funktionieren kann“ heißt es:
„Im Landesnaturschutzgesetz von Rheinland-Pfalz nahm die rot-grüne Landesregierung 2013 eine einschneidende Veränderung vor: Werden Flächen gerodet, unterbleibt nach der Neufassung der Paragrafen in der Regel eine Ersatzaufforstung an anderer Stelle. Offizielle Begründung der grünen Umweltministerin Ulrike Höfken: Das Land Rheinland-Pfalz sei ohnehin zu waldreich, dafür fehle es an Grünland. Allerdings empfehlen und verplanen die geschmeidigen Regierungsrhetoriker auch genau dieses Grünland für Windkraftanlagen und Biogas-Pflanzen.“
Nicht anders in Baden-Württemberg, wo bis 2020 1000 neue Windräder entstehen sollen, und zwar überwiegend im Wald. Der „Grüne Blackout“:
„Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller geht als erster Grünenpolitiker in die Geschichte ein, der den Kahlschlag von Wäldern zum Programm erhebt. Schon 2012 verkündete er in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“:
„Die neue Generation der Windräder ist 140 Meter hoch, die können sie auch in Gebieten aufstellen, die bislang für Windkraft kaum nutzbar waren.“
Wirtschaftswoche: Zum Beispiel?
Untersteller: „Im Wald. 30 Prozent des Waldes in Baden-Württemberg sind in Landesbesitz. Wir werden als Regierung einen eigenen Beitrag zur Energiewende leisten und Windparks in Waldgebieten fern von Wohnbebauung errichten. Erste Planungen und Gespräche mit der Forstverwaltung laufen.“
Auf den Höhenlagen des Schwarzwalds wehe der Wind besonders gut, so der Minister, deshalb müssten dort auch vergleichsweise die meisten Bäume weg. Die Natur, die Waldtieren, die Vögel, dort brüten – etliche davon theoretisch durch die Rote Liste geschützt – das alles gerät für die Anhänger der großen Transformation zur Fußnote, mit der sich ein Weltretter beim besten Willen nicht auch noch befassen kann.
Leider handelt es sich nicht um Fußnoten. Sondern um gigantische Trampelspuren. Bis 2020 wünscht sich Untersteller 1000 neue Windräder in Baden-Württemberg, wozu auch immer – denn die Küstenländer produzieren jetzt schon riesige Windstromüberschüsse. Würden nur zehn Prozent dieser neuen Rotoren im Ländle im Wald entstehen, dann liefe das auf einen Kahlschlag von 800 000 bis einer Million Quadratmetern Wald hinaus.
Es könnte also geschehen, dass das eine oder andere Finkbeiner-Gehölz vor die Kettensäge kommt. Der Kahlschlag zugunsten von Windrädern scheint sich in Deutschland als Klimarettungskonzept gegen das Bäumepflanzen nun mal durchzusetzen. Obwohl die deutschen Kohlendioxid-Emissionen seit Jahren steigen und nicht sinken. Und zwei Drittel der Windräder in Rheinland-Pfalz weniger Strom liefern als prognostiziert, weil das südwestliche Land praktisch komplett in einer Schwachwindzone liegt. Die Rotoren, sie sich dort auf den Lichtungen drehen, beeinflussen das globale Klima ungefähr so stark wie ein Pappbaum am Nordpol.
Nur die Gewinne der Windradhersteller und Waldverpächter fallen nicht in die Kategorie des Symbolischen. Sie sind das einzige Echte im Klimageschäft.
(Dieser Beitrag erscheint in ähnlicher Form auch auf achgut.de. Hier finden Sie die Taschenbuchausgabe des „Grünen Blackout“)